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1.2.5 Mittlere freie Weglänge

Öffnet man einen Parfümflakon in einer Zimmerecke, so dauert es sehr lange, bis man die gasförmigen Geruchsstoffe in der gegenüberliegenden Zimmerecke wahrnehmen kann. Diese Erfahrung widerspricht scheinbar den im vorigen Kapitel eingeführten mittleren Geschwindigkeiten der Gase. Der Grund dafür liegt in einer Vielzahl von Zusammenstößen, die ein Gasteilchen auf seinem Weg erleidet. Die durchschnittliche geradlinige Wegstrecke, die ein Gasteilchen ohne Zusammenstoß mit anderen Gasteilchen zurücklegen kann, wird mittlere freie Weglänge genannt.

Mittlere freie Weglänge zwischen zwei Stößen

Abbildung 1.4: Mittlere freie Weglänge zwischen zwei Stößen

Für Zusammenstöße gleicher Teilchen gilt für die mittlere freie Weglänge:

\[\bar l = \frac{k\cdot T}{\sqrt 2\cdot\pi\cdot p\cdot d_m^2}\]

Formel 1-11: Mittlere freie Weglänge [9]

$\bar l$ mittlere freie Weglänge [m]
$d_m$ Moleküldurchmesser [m]
$m$ Masse [kg]

Aus Formel 1-11 erkennt man, dass die mittlere freie Weglänge linear von der Temperatur und umgekehrt proportional von Druck und Moleküldurchmesser abhängt. An dieser Stelle vernachlässigen wir in der Literatur diskutierte weitere Varianten dieser Gleichung, in denen z. B. auf Stöße unterschiedlicher Gasteilchen, Stöße von Gasteilchen mit Ionen oder Elektronen sowie Temperatureffekte eingegangen wird.

Um die Temperaturabhängigkeit der mittleren freien Weglänge zu zeigen, wird Formel 1-11 oft auch mit der Temperatur als einziger Variablen auf der rechten Seite der Gleichung geschrieben:

\[\bar l\cdot p = \frac{k\cdot T}{\sqrt 2\cdot\pi\cdot d_m^2}\]

Formel 1-12: Mittlere freie Weglänge II

Tabelle 1.5 zeigt die $\bar l\!\cdot\!p$-Werte für einige ausgewählte Gase bei 0 °C, deren Moleküldurchmesser variiert:

Gas Chemisches
Symbol
$\bar l\cdot p$
[m hPa]
$\bar l\cdot p$
[m Pa]
Wasserstoff H2 11,5·10-5 11,5·10-3
Stickstoff N2 5,9·10-5 5,9·10-3
Sauerstoff O2 6,5·10-5 6,5·10-3
Helium He 17,5·10-5 17,5·10-3
Neon Ne 12,7·10-5 12,7·10-3
Argon Ar 6,4·10-5 6,4·10-3
Luft 6,7·10-5 6,7·10-3
Krypton Kr 4,9·10-5 4,9·10-3
Xenon Xe 3,6·10-5 3,6·10-3
Quecksilber Hg 3,1·10-5 3,1·10-3
Wasserdampf H2O 6,8·10-5 6,8·10-3
Kohlenmonoxid CO 6,0·10-5 6,0·10-3
Kohlendioxid CO2 4,0·10-5 4,0·10-3
Chlorwasserstoff HCl 3,3·10-5 3,3·10-3
Ammoniak NH3 3,2·10-5 3,2·10-3
Chlor Cl2 2,1·10-5 2,1·10-3

Tabelle 1.5: Mittlere freie Weglänge ausgewählter Gase bei 273,15K [10]

Mit den Werten aus Tabelle 1.5 schätzen wir nun die mittlere freie Weglänge eines Stickstoffmoleküls bei verschiedenen Drücken ab:

Druck [Pa] Druck [hPa] mittlere freie
Weglänge [m]
1·105 1·103 5,9·10-8
1·104 1·102 5,9·10-7
1·103 1·101 5,9·10-6
1·102 1·100 5,9·10-5
1·101 1·10-1 5,9·10-4
1·100 1·10-2 5,9·10-3
1·10-1 1·10-3 5,9·10-2
1·10-2 1·10-4 5,9·10-1
1·10-3 1·10-5 5,9·100
1·10-4 1·10-6 5,9·101
1·10-5 1·10-7 5,9·102
1·10-6 1·10-8 5,9·103
1·10-7 1·10-9 5,9·104
1·10-8 1·10-10 5,9·105
1·10-9 1·10-11 5,9·106
1·10-10 1·10-12 5,9·107

Tabelle 1.6: Mittlere freie Weglänge eines Stickstoffmoleküls bei 273,15 K (0 °C)

Bei Atmosphärendruck fliegt ein Stickstoffmolekül zwischen zwei Zusammenstößen also nur rund 59 nm weit, während es im Ultrahochvakuum bei Drücken unterhalb von 10-8 hPa bereits mehrere Kilometer weit fliegt.

Der Zusammenhang zwischen Teilchenzahldichte und mittlerer freier Weglänge ist in Abbildung 1.5 grafisch gezeigt.

Teilchenzahldichte und mittlere freie Weglänge für Stickstoff bei einer Temperatur von 273,15 K

Abbildung 1.5: Teilchenzahldichte (rot, rechte y-Achse) und mittlere freie Weglänge (blau, linke y-Achse) für Stickstoff bei einer Temperatur von 273,15 K