3.4 Vakuumkammern
Das Herzstück einer Vakuumanlage bildet eine auf die Anwendung zugeschnittene Vakuumkammer. Sie umhüllt die Anwendung und trennt sie zuverlässig vom Außenbereich oder schützt die Umgebung vor den Prozessen im Inneren. Egal ob ein Grobvakuum für Trocknungsprozesse benötigt wird, ein Fein- oder Hochvakuum für Plasmaprozesse oder Ultrahochvakuum für Oberflächenuntersuchungen: - die Vakuumkammer muss stets die Druckdifferenz von einer Atmosphäre mechanisch tragen.
Vakuumbehälter unterliegen innerhalb der Europäischen Union keiner speziellen Richtlinie, auf deren Grundlage eine Auslegung und Berechnung zu erfolgen hat. Sie sind keine Druckgeräte (die Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU gilt für Bauteile mit einem inneren Überdruck von mehr als 500 hPa) und sie sind keine Maschinen im Sinne der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Dennoch müssen sie sicher und zuverlässig ausgelegt, berechnet, gefertigt und geprüft werden, bevor eine Inbetriebnahme erfolgen kann.
Die Berechnung von Wandstärken für zylindrische Rohre, Kugelkörper, plane Böden oder Formteile wie Klöpperböden kann mithilfe der AD-2000-Merkblätter erfolgen. Das Regelwerk AD 2000 wurde von der „Arbeitsgemeinschaft Druckbehälter“ zwar für die Berechnung von Druckbehältern entworfen, dort wird aber auch der Belas-tungszustand „äußerer Überdruck“ beschrieben. Hier finden sich z. B. Gleichungen zur Berechnung von erforderlichen Wanddicken, die das „elastische Einbeulen“ oder die „plastische Verformung“ von zylindrischen Rohren berücksichtigen.
Bei Rechteckkammern oder ähnlichen Bauformen müssen die Durchbiegung der Flächen und die auftretenden Spannungen geprüft werden. Sind sie zu groß, müssen Wandstärken erhöht oder die Flächen versteift werden, z. B. mit zusätzlich aufgeschweißten Rippen. Hierbei sind Programme hilfreich, die mechanische Berechnungen nach der Finite-Elemente-Methode (FEM) durchführen und zur Optimierung des Kammerdesigns genutzt werden können. Neben der zulässigen mechanischen Beanspruchung ist auch zu prüfen, ob im Lastzustand „außen Atmosphäre, innen Vakuum“ die Dichtflächen zueinander plan bleiben. Verwerfen sich Dichtflächen, können Undichtigkeiten auftreten, die einen Einsatz der Kammer verhindern.
Abbildung 3.17: EUV-Quellenkammer mit Kühlprofilen und wassergekühlten Flanschen
Die Grundform der Kammer folgt häufig aus der Anwendung. Wenn möglich wird ein zylindrisches Rohr als Kammergrundkörper gewählt, das ein Optimum an Materialeinsatz und Stabilität darstellt. Bei kleineren Nennweiten kann ein planer Boden eine Rohrseite verschließen, größere Nennweiten sollten durch gewölbte Böden verschlossen werden, um den Materialeinsatz und die Masse der Kammer in Grenzen zu halten. Beispiel: Bei einem Kammerdurchmesser von 600 mm benötigt ein planer Boden etwa die dreifache Wandstärke wie ein gewölbter Boden. Ein Hauptflansch mit passendem Deckel gewährt den Zugang zur Kammer, ein Türscharnier erhöht den Bedienkomfort. Kammerfüße außen sorgen für einen sicheren Stand, Ringschrauben oder Hebeösen ermöglichen einen sicheren Transport.
Soll die Kammer temperiert werden oder führen innere Wärmequellen zu einer starken Erwärmung der Kammerhülle, wird eine Kammerkühlung aufgebracht. Dies kann durch aufgeschweißte Kühlprofile geschehen oder großflächig als sogenannte Kissenkühlung (Abbildung 3.18) oder gar als doppelwandiger Behälter.
Abbildung 3.18: Weltraumsimulationskammer mit Kissenkühlung
Häufig wird eine Kammer im Dialog zwischen Anwender und Konstrukteur um ein Experiment oder einen Prozess herum entworfen. Eine Alternative zu individuell abgestimmten Kammern sind Standardvakuumkammern. Dies sind vorkonfigurierte Grundkörper, die um frei wählbare Abgänge ergänzt werden. Sie bieten eine schneller lieferbare und kostengünstigere Alternative zu einer komplett individuell gestalteten Vakuumkammer.