6.3.1 Quadrupol-Massenfilter
Vier parallele, in einem Quadrat angeordnete Stäbe bilden das Filtersystem eines Quadrupol-Massenspektrometers. Je zwei gegenüberliegende Stäbe, in Abbildung 6.5 mit (+) oder (-) gekennzeichnet, sind verbunden. Zwischen beiden Stabpaaren ist eine elektrische Spannung angelegt, die sich aus einem Gleichspannungsanteil $U$ und einem Wechselspannungsanteil mit der Amplitude $V$ und der Frequenz $f=\omega / 2\pi$ zusammensetzt:
\[U_{quad} = U+V \cdot \mbox{cos} \omega t\]
Formel 6-5: Quadrupol-Ablenkspannung
Es soll hier nur eine phänomenologische Kurzbeschreibung der Funktionsweise gegeben werden. Für eine ausführliche Darstellung wird auf die Literatur [29, 30, 31] verwiesen.
Abbildung 6.5: Prinzip des Quadrupol-Massenspektrometers
Ideale Quadrupolfelder benötigen Stäbe mit hyperbolischem Profil. Es werden in der Praxis jedoch runde Stäbe verwendet, bei denen der Stabradius gleich dem 1,144-fachen des Feldradius $r_0$ ist (zur Definition des Feldradius’ siehe Abbildung 6.5). Zwischen den Stäben bildet sich ein elektrisches Quadrupolfeld aus. Man schießt Ionen verschiedener Massen mit etwa gleicher Energie axial in das Stabsystem ein, durch das sie sich mit einer gleichförmigen Geschwindigkeit hindurch bewegen. Das angelegte Quadrupolfeld lenkt die Ionen in X- und Y-Richtung ab, sodass sie schraubenförmige Bahnen um die Z-Achse durch das Massenfilter beschreiben. Sofern die Amplitude der Bahnschwingung kleiner als der Feldradius $r_0$ ist, erreichen die Ionen den Detektor; wächst die Amplitude darüber hinaus, werden die Ionen an den Stäben oder umgebenden Oberflächen entladen und passieren das Filter nicht.
Zur Lösung der Bewegungsgleichungen führt man zwei dimensionslose Variablen $a$ und $q$ ein, welche die Parameter des Quadrupols (Gleichspannung $U$, Wechselspannungsamplitude $V$, Feldradius $r_0$, Kreisfrequenz $\omega = 2\pi f$) und die des Ions (Ladung $Q=z \cdot e$, Masse $m=M \cdot m_u$) zusammenfassen.
\[a=\frac{8 \cdot Q \cdot U}{m \cdot r_0^2 \cdot \omega^2}\]
Formel 6-6: Stabilitätsparameter a
und
\[q=\frac{4 \cdot Q \cdot V}{m \cdot r_0^2 \cdot \omega^2}\]
Formel 6-7: Stabilitätsparameter q
Mit dieser Vereinfachung erhält man die Mathieuschen Differentialgleichungen, deren Lösungen in der Mathematik bekannt sind; sie ergeben den Bereich der stabilen Flugbahnen mit Schwingungsamplituden $r_{max} < r_0 $ für Paarungen der Stabilitätsparameter a und q, die sich unter dem Dreieck der beiden Grenzkurven in Abbildung 6.6 befinden. Alle Lösungen außerhalb führen zu größer werdenden Schwingungsamplituden und damit zur Neutralisation der Ionen an den Stäben des Quadrupolfilters. Dividiert man beide Gleichungen durcheinander, so erhält man $a/q=2U/V$. Das ist die Steigung der so genannten Arbeitsgeraden des Massenfilters.
Abbildung 6.6: Stabilitätsdiagramm eines Quadrupolfilters
Im Grenzfall geht die Arbeitsgerade durch den Pik mit den Werten: $a_p$= 0,237 und $q_p$= 0,706.
Nur für Spannungsverhältnisse $\frac{U}{V}=\frac{a_p}{2 \cdot q_p}$ < 0,1678
ist der Quadrupolfilter transparent, d. h. die Arbeitsgerade schneidet den Stabilitätsbereich. Alle Ionen, deren Parameter $a$ und $q$ in das Dreieck oberhalb der Arbeitsgeraden fallen, erreichen den Detektor.
Führt man das Verhältnis $m_u/e$ der atomaren Massen-einheit $m_u$ = 1,6605 · 10-27 kg zur Elementarladung $e$ = 1,6022 · 10-19 A · s ein ($m_u/e$ =1,0365 · 10-8 kg A-1 s-1) und multipliziert dies mit der dimensionslosen Massenzahl $M$ des entsprechenden Ions, so erhält man für die Spitze des Stabilitätsdreiecks die folgenden Bedingungen für die Spannungen $U_p$ und $V_p$ (mit den Konstanten $k_u$ = 1,2122 · 10-8 kg A-1 s-1 und kv = 7,2226 · 10-8 kg A-1 s-1):
\[U_p=k_u \cdot M \cdot r_0^2 \cdot f^2\]
Formel 6-8: Stabilitätsbedingung für U
\[V_p=k_v \cdot M \cdot r_0^2 \cdot f^2\]
Formel 6-9: Stabilitätsbedingung für V
Die Stabilitätsbedingungen zeigen, dass man am Quadrupolfilter bei fester Frequenz eine direkte Proportionalität zwischen Spannungen und Masse hat und damit bei Variation der Spannungsamplituden eine lineare Massenskala erhält.
Bei abgeschalteter Gleichspannung $U$ = 0 sind alle Bahnen der Ionen mit $q$ < 0,905 stabil, das sind nach Formel 6-3 alle Massen mit
\[M > \frac{k_H \cdot V}{r_0^2 \cdot f^2}\]
Formel 6-10: Hochpassbedingung
Dabei ist $k_H$ = 1,0801 · 107 A s kg-1 eine Konstante. Das Filter arbeitet in diesem Betriebsmodus als Hochpass. Mit steigender HF-Amplitude $V$ werden, von den leichten Massen her beginnend, immer schwerere Ionenarten instabil und damit ausgesondert. Man erhält in diesem Betriebsmodus ein integrales Spektrum und kann so eine Totaldruckmessung vornehmen.
Entscheidend für die Transmission von Ionen durch das Filter sind die Einschussbedingungen. Die Ionen müssen in einem möglichst engen Bereich um die Mitte des Stabsystems in den Quadrupol eintreten und sich dabei möglichst parallel zur Stabachse bewegen.
Diese Forderungen lassen sich umso leichter erfüllen, je größer der Felddurchmesser (Stababstand) und je länger der Quadrupol (Stablänge) ist. Außerdem lassen sich mit größeren Abmessungen der Stäbe die Anforderungen an die geometrische Genauigkeit (Fertigungstoleranzen) einfacher einhalten.
Durch die in 6.1.4.1 beschriebenen Vorteile der Pfeiffer Vacuum Ionenquellen wird eine hohe Transparenz und damit eine hohe Empfindlichkeit erreicht.
Im praktischen Betrieb wird nicht die Frequenz zum Durchstimmen des Quadrupolfilters variiert, sondern das Verhältnis $U/V$ in Abhängigkeit von der Massenzahl so angesteuert, dass nicht das eigentliche Auflösungsvermögen $M/\Delta M$, sondern die Linienbreite $\Delta M$ konstant bleibt. Dies bedeutet eine Zunahme des Auflösungsvermögens proportional zur Massenzahl. Wegen Formel 6‑9 ($V$ proportional $M$) erzielt man beim Quadrupol im Gegensatz zum Sektorfeld-Massenspektrometer eine lineare Massenskala.
Ein Punkt von wesentlicher Bedeutung für ein QMS ist die erforderliche HF-Leistung. Bezeichnet man mit $C$ die gesamte Kapazität des Systems und mit $Q$ die Kreisgüte des Leistungskreises, so wächst die erforderliche HF-Leistung
\[N_{HF} \approx \frac{C}{Q} \cdot M^2 \cdot f^5 \cdot r_0^4 \]
Formel 6-11: HF-Leistung
mit hohen Potenzen von $f$ und $r_0$ an. Eine Vergrößerung des Feldradius $r_0$ verringert die auftretenden relativen mechanischen Toleranzen und führt so zu einem verbesserten Verhalten. Es ist an sich günstig, $f_0$ und $r_0$ so groß wie möglich zu wählen. Wegen der damit verbundenen Zunahme der HF-Leistung nach Formel 6-11 sind dem jedoch Grenzen gesetzt. Eine Verlängerung des Stabsystems erlaubt eine geringere Betriebsfrequenz, jedoch sollte auch die Baugröße eines Seriengerätes bestimmte Maße nicht überschreiten.
Der erforderliche Massenbereich und die gewünschte Auflösung legen die Abmessungen des Filters und die Wahl der Betriebsfrequenz fest. Gestuft nach den Anforderungen findet man Geräte mit 6, 8, und 16 mm Stabdurchmesser und entsprechend darauf abgestimmter Elektronik.
Hier noch eine kurzer Exkurs zum Zusammenhang zwischen Auflösung und mechanischer Präzision. Betrachten wir ein Quadrupol-Massenfilter, welches in der Spitze des Stabilitäts-Diagramms, also mit einer hohen Auflösung arbeitet. Es gilt Formel 6-8
$U$= 1,2122 · 10-8$ \frac{\mbox{kg}}{\mbox{A} \cdot \mbox{s}}\cdot M \cdot r_0^2 \cdot f^2$
für die Gleichspannung und Formel 6-9
$V$= 7,2226 · 10-8$ \frac{\mbox{kg}}{\mbox{A} \cdot \mbox{s}}\cdot M \cdot r_0^2 \cdot f^2$
für die Wechselspannungsamplitude. Wobei wir mit $M$ die Masse des Ions, $r_0$ den Feldradius und $f$ die Frequenz bezeichnen, mit der das Filter betrieben wird. Wir machen die idealisierte Annahme, dass beide Spannungen $U$ und $V$ und auch die Frequenz $f$ „beliebig präzise“ eingestellt und eingehalten werden.
Daraus folgt: $M=c_k \cdot \frac{1}{r_0^2}$
($c_k$ ist eine Konstante) und nach Differentiation, Division durch $M$ und Betragsbildung die Streuung des Filters verursacht durch $r_0$:
\[\frac{dM}{M}= \frac{2 \cdot \delta r_0}{r_0}\]
Formel 6-12: Streuung
Nehmen wir an, dass sich der Feldradius $r_0$ über die Länge des Massenfilters um $dr_0$ = 0,03 mm ändert. Nun betrachten wir die Auswirkung dieser Änderung auf die Streuung bei zwei verschieden großen Massenfiltern. Für optimale Transmission muss gelten, dass die am Spektrometer eingestellte Auflösung (wir wählen: $\Delta M/M$= 1/100), größer ist, als die durch die Schwankung von $r_0$ erzeugte Streuung. Bei einem Filter mit dem Feldradius 3 mm ergibt sich $dM/M$ = 2 · 0,03 mm / 3 mm = 0,02, d. h. die Streuung durch die nicht perfekte Geometrie steht der gewünschten Auflösung entgegen. Für ein anderes Filter mit dem größeren Feldradius 12 mm ergibt sich $dM/M$ = 2 · 0,03 mm / 3 mm = 0,005, die Geometrie steht also der gewünschten Auflösung nicht im Wege. Mit anderen Worten: Hat man bei beiden Filtern eine Auflösung von $\Delta M/M$ = 0,01 eingestellt, so werden im ersten Fall die meisten Ionen das Filter nicht passieren können. Beim großen Filter des zweiten Quadrupols können dagegen alle Ionen das Filter passieren.
Diese vereinfachte Fehlerrechnung berücksichtigt bei weitem nicht alle Effekte, die zur Transmission beitragen, sie lehrt aber einige fundamentale Beziehungen:
- Der Feldradius muss, abhängig vom gewählten Massenbereich über die gesamte Länge des Filters wesentlich besser als 1 % eingehalten werden. Schwankungen im Feldradius führen zu Transmissions-Verlusten
- Je größer die Abmessungen des Stabsystems gewählt werden, desto geringer ist der Einfluss der absoluten mechanischen Toleranzen
- Je höher der Massenbereich ist in dem man benachbarte Massen noch unterscheiden will, desto strenger werden die Anforderungen an die relative Genauigkeit des Massenfilters.
Zusammenfassung
Das Quadrupol-Massenfilter ist ein dynamisches Massenfilter für positive und negative Ionen. Die Massenskala ist linear mit der angelegten Amplitude der HF-Spannung. Die Massenauflösung lässt sich elektrisch durch das Verhältnis der Gleichspannung $U$ zur HF-Spannungsamplitude $V$ komfortabel einstellen. Wegen seiner geringen Abmessungen und seines geringen Gewichtes eignen sich Quadrupol-Massenspektrometer sowohl als reine Restgasanalysatoren, als auch in einer qualitativ höherwertigen Ausführung als Sensoren für die Gasanalyse.