3.2 Werkstoffe

In der Vakuumtechnik sind die Anforderungen an einen Werkstoff sehr vielfältig. Abhängig vom Einsatzzweck, den Umgebungsbedingungen und des zu erreichenden Vakuums ist zu prüfen, welche Anforderungen die Werkstoffe erfüllen müssen.

Im Folgenden sind wichtige Anforderungen aufgeführt, die zu prüfen sind:

Ausreichende mechanische Festigkeit über den gesamten Einsatztemperaturbereich:
Neben der strukturellen Integrität muss sichergestellt werden, dass die Verformung von Funktionsflächen zu keiner Beeinträchtigung der Funktionalität führt. Beispiel: Der atmosphärische Luftdruck auf evakuierte Kammerbauteile beträgt etwa 10 N/cm2. Bei einer Fläche von 1 m2 ergibt dies eine Kraft von 100.000 N.
Hohe Gasdichtheit:
Jeder Werkstoff ist prinzipiell gasdurchlässig. Der Gesamtvorgang der Gasdurchlässigkeit wird Permeation genannt. Er ist abhängig vom Werkstoff, der Gasart und den Umgebungsbedingungen – insbesondere der Temperatur. Bei der Verwendung von Elastomerdichtungen ist deren Permeation zu berücksichtigen. Beispiel: Für eine FKM(Fluor Kautschuk-)Dichtung der Nennweite DN 500 ISO-K berechnet sich die Permeationsrate für atmosphärische Luft mit 60 % Luftfeuchtigkeit auf etwa 4 · 10-7 Pa · m3/s. Bei typischen Vakuumsystemen mit FKM-Dichtungen wird daher selten ein Arbeitsdruck besser als 1 · 10-8 hPa erreicht.
Geringer Eigendampfdruck, hohe Schmelz- und Siedetemperatur:
Ein zu hoher Eigendampfdruck begrenzt den Vakuum-enddruck. Neben der Vakuumtauglichkeit von Ölen und Fetten muss auch der Eigendampfdruck von Metallen oder deren Partialdruck in Legierungen berücksichtigt werden. Beispiel: Bei Messing begrenzt der Partialdruck des Zinks die maximal zulässige Temperatur im Hochvakuum auf etwa 100 °C.
Saubere Oberflächen, geringer Gehalt an Fremdgasen, leichte Entgasbarkeit:
Saubere Oberflächen sind eine Grundvoraussetzung. Jedoch ist jede Oberfläche, die der Umgebungsluft ausgesetzt war, von einer adsorbierten Schicht überzogen. Chemisch oder physikalisch adsorbierte Moleküle an der Oberfläche oder im Volumen des Werkstoffs stellen eine Gasquelle dar, wenn diese desorbieren (sich von der Oberfläche lösen). Um einen niedrigen Enddruck zu erreichen, müssen Werkstoffe mit geringen Desorptionsraten verwendet werden. Beispiel: Eine Monoschicht absorbiertes Gas entspricht in etwa einer Gasmenge von 4 · 10-2 Pa · m3/m2. Betrachtet man ein beidseitig geschlossenes Rohr mit einem Durchmesser von 50 cm und einer Länge von 100 cm (Oberfläche ca. 2 m2, Volumen ca. 200 l), führt die Freisetzung der Monoschicht zu einem Druckanstieg von etwa 0,4 Pa bzw. 4 · 10-3 hPa. Dabei wurde noch nicht berücksichtigt, dass die Oberfläche immer größer ist als die geometrische.
Gute Temperaturwechselbeständigkeit, angepasstes Ausdehnungsverhalten:
Beispiel: Die unterschiedliche thermische Ausdehnung begrenzt die maximal zulässige Temperatur bei der Kombination Aluminiumdichtung und Edelstahlflansche auf etwa 150 °C. Nach zu hohen Temperaturen tritt beim Abkühlen häufig eine Verschlechterung der Dichtwirkung ein.
Korrosionsbeständigkeit, chemische Resistenz:
Beispiel: Viele Beschichtungsprozesse erfordern chemisch aktive Prozessgase. Es ist daher zu prüfen, ob die verwendeten Fluide Bauteile oder Dichtungen angreifen. Insbesondere dünnwandige Bauteile wie Metallbälge sind durch Korrosion gefährdet. Ihre Standzeit ist gegebenenfalls durch Versuche zu ermitteln.

Spezielle Anwendungen können zudem weitere Forderungen an die Werkstoffe stellen.

Allgemein gilt: Je niedriger der angestrebte Arbeitsdruck ist, desto höher sind die Ansprüche an das Material und desto kleiner ist die Auswahl an möglichen Materialien. Daher hat insbesondere in der UHV(Ultrahochvakuum-) Technik die Materialauswahl eine große Bedeutung.