4.9.2 Anwendungshinweise

Erzeugung sauberen Vakuums

Turbopumpen sind zur Erzeugung sauberer Vakua im Bereich 10-3 bis 10-10 hPa geeignet. Durch ihr hohes Kompressionsverhältnis sperren sie möglicherweise zurückdiffundierendes Drehschieberpumpenöl aus der Vorvakuumleitung zuverlässig vom Rezipienten ab. Die Modelle mit Edelstahlgehäusen und CF-Flanschen sind ausheizbar. Damit sind diese Pumpen ideal für Anwendungen in Forschung & Entwicklung geeignet, in denen Ultrahochvakuum erreicht werden muss.

Turbopumpen können zum Evakuieren großer Behälter mit Drehschieberpumpen als Vorpumpen betrieben werden. Für Turbodragpumpen reichen schon zweistufige Membranpumpen als Vorpumpen zur Vakuumerzeugung aus. Wegen ihres geringen Saugvermögens benötigen Membranpumpen jedoch lange Zeit, um größere Behälter auszupumpen. Auch ist der Gasdurchsatz dieser Pumpenkombination durch die Membranpumpe stark eingeschränkt. Eine derartige Kombination ist jedoch eine sehr kostengünstige Lösung für einen trockenen Pumpstand. Er findet oft Anwendung bei differenziell gepumpten Massenspektrometern und weiteren Aufgabenstellungen aus Analytik, Forschung & Entwicklung. Werden im Vorpumpenbereich größere Saugvermögen benötigt, empfehlen sich die mehrstufigen Wälzkolbenpumpen der ACP-Serie, bzw. bei chemischen Vakuumprozessen der Halbleiter- oder Solartechnik die prozesstauglichen Vorpumpen.

Pumpstände aus Vorpumpe und Turbopumpe kommen ohne Ventile aus. Man schaltet beide Pumpen gleich- zeitig ein. Sobald die Vorpumpe den notwendigen Vor-vakuumdruck erreicht hat, beschleunigt die Turbopumpe schnell auf ihre Nenndrehzahl und evakuiert mit ihrem hohen Saugvermögen den Behälter in kurzer Zeit auf einen Druck $p$ < 10-4 hPa. Kurzzeitige Stromausfälle werden durch die hohe Drehzahl des Rotors überbrückt. Bei längeren Stromausfällen kann nach Unterschreiten einer Mindestdrehzahl des Rotors die Pumpe und auch der Rezipient automatisch geflutet werden.

Die Effekte, die beim Auspumpen von Behältern eine Rolle spielen, sind in Kapitel 2 beschrieben, ebenso Fragen der Dimensionierung sowie die Berechnung von Auspumpzeiten.

Auspumpen von Schleusenkammern

Das Auspumpen von Schleusenkammern verlangt definitiv ein sauberes Handling beim Umlagern von Teilen, die in einem Vakuumprozess behandelt werden. Werden die Objekte von Atmosphärendruck eingeschleust, sollte die Kammer zunächst über eine Bypass-Leitung vorevakuiert werden. Danach wird die laufende Turbopumpe zwischen Vorpumpe und Kammer über Ventile zugeschaltet.

Anwendungen in der Analytik

In Analysegeräten werden heute in vielen Fällen Massenspektrometer eingesetzt. Oft werden Flüssigkeiten injiziert und in der Eingangskammer des Vakuumsystems verdampft. Die Herabsetzung des Drucks erfolgt in mehreren Stufen, wobei die einzelnen Kammern durch Blenden voneinander getrennt sind. Da man an jeder Kammer pumpen muss, versucht man, durch geschickte Kombination von Vorpumpen und Turbopumpen die Gasströme über Anzapfungen an der Turbopumpe zusammenzuführen. Für Serienanwendungen werden speziell modifizierte Turbopumpen mit Anzapfungen verwendet. Neben der in Kapitel 4.9.3 beschriebenen SplitFlow 50 sind kunden-spezifische Sonderlösungen erhältlich.

Auch Helium-Lecksucher werden mit Turbopumpen ausgerüstet. Man verwendet hier oft das Gegenstromprinzip (siehe Kapitel 7.2.1), bei dem ein Massenspektrometer auf der Hochvakuumseite der Pumpe angeordnet ist. Wegen des geringeren Kompressionsverhältnisses der Turbopumpe für Helium im Vergleich zu Stickstoff oder Sauerstoff wirkt die Pumpe als selektiver Filter für Helium.

Pumpen hoher Gaslasten in Vakuumprozessen

Beim Pumpen hoher Gaslasten bei Vakuumprozessen hat die Turbopumpe zwei Vorteile: Sie erzeugt zu Beginn eines Prozessschrittes ein sauberes Vakuum und kann anschließend Prozessgas ohne schädliche Rückströmung abpumpen. Beim zweiten Schritt steht die Aufrechterhaltung eines bestimmten Drucks, bei dem der gewünschte Vakuumprozess ablaufen soll, im Vordergrund. Dabei werden die Gasdurchsätze und der Arbeitsdruck durch die Anwendung bestimmt, d. h., dass ein bestimmtes Saugvermögen bei einem bestimmten Gasdurchsatz gefordert wird. Außerdem soll ein sauberes Zwischen-vakuum beim Wechsel des Objektes in kurzer Zeit erreicht werden. Da diese Forderungen widersprüchlich sind, wird eine Turbopumpe ausreichender Größe für den geforderten Gasdurchsatz und das geforderte Zwischenvakuum gewählt. Der Prozessdruck wird über ein Eingangsventil (z. B. Schmetterlingsventil) geregelt. Ein Beispiel für die Dimensionierung eines solchen Pumpstandes finden Sie in Kapitel 2. Die in den technischen Daten angegebenen maximal zulässigen Gaslasten sind als zulässige Dauerlasten zu verstehen. Dies gilt unter den Voraussetzungen, dass eine ausreichende Kühlung gemäß Spezifikation sichergestellt und der Vorvakuumdruck entsprechend unterhalb der maximalen Vorvakuumverträglichkeit abgestimmt ist.

Pumpen korrosiver und abrasiver Stoffe

Für das Pumpen von korrosiven Gasen müssen Maßnahmen getroffen werden, die insbesondere den Motor- bzw. Lagerbereich und den Rotor vor Korrosion schützen. Hierzu werden alle Oberflächen, die Korrosivgas ausgesetzt sind, mit einer Beschichtung versehen oder aus Materialien gefertigt, die einem Angriff dieser Gase widerstehen. In den Motor- und Lagerbereich des Vorvakuums wird über ein spezielles Sperrgasventil ein definierter Inertgasstrom in den Motorraum eingelassen. Von dort strömt das Gas über Labyrinthdichtungen in den Vorvakuumbereich, vermischt sich mit dem Korrosivgas und wird zusammen mit diesem von der Vorpumpe abgepumpt. Bei Pumpen mit Glockenrotor (z. B. ATH M-Serie) kann das Sperrgas auf der innenliegenden Seite der Holweckstufe zusätzlich eine Konvektionskühlung darstellen und durch Temperatursenkung das nutzbare Prozessfenster erweitern. Auch bei nicht-korrosiven, aber staubbelasteten Prozessen stellt Sperrgas einen wirksamen Schutz von Lager- und Motorregion dar.

Bei Staubanfall können sich die Schaufeln des Turbo-rotors mechanisch abnutzen, was im Reparaturfall zum Austausch des Rotors führen kann. Ebenso ist mit Ablagerungen in der Pumpe zu rechnen, die kürzere Serviceintervalle an der Pumpe zur Folge haben. Besonders ist darauf zu achten, dass Ablagerungen in der Pumpe nicht mit Luftfeuchtigkeit auf aggressive Stoffe reagieren. Deshalb sind die Pumpen nur mit trockenen Inertgasen zu belüften und im Servicefall mit abgeschlossenem Vor- und Hochvakuumflansch auszurüsten. Turbopumpen für diese Anwendungsfälle sind entweder klassische Turbopumpen ohne Holweckstufe oder Turbopumpen mit einer Holweckstufe, die einen Kompromiss aus Vorvakuumverträglichkeit und Partikeltoleranz darstellt. Staubablagerungen in der Holweckstufe und nachfolgendes Blockieren des Rotors können durch eine Vergrößerung der Spaltabstände zwischen Rotor und Stator in der Holweckstufe vermindert werden. Bei einer Turbopumpe der ATH M-Serie etwa werden nach Langzeit-betrieb in einer Sputteranwendung mit Partikelbelastung nicht-haftende Stäube in erster Linie im Sammelkanal nahe des Vorvakuumflanschs beobachtet. Die Holweckstufe ist noch sauber und die Pumpe noch funktionsfähig.