6.3.2 Ionenquellen

Bevor Gase in einem Massenfilter analysiert werden können, muss man sie in einer Ionenquelle durch Elektronenbeschuss ionisieren (Abbildung 6.6).

Aus einer elektrisch beheizten Kathode (Filament) treten Elektronen aus. Zwischen Anode und Kathode wird eine Spannung angelegt, die die Elektronen beschleunigt. Die in den Formationsraum zwischen Anode und Kathode eintretenden neutralen Gasteilchen werden durch Elektronenstoß ionisiert. Dabei werden einfach und mehrfach positive Ionen gebildet. Die Energie der Stoßelektronen hat sowohl auf die Anzahl als auch auf die Art der gebildeten Ionen einen starken Einfluss.

Prinzip des Quadrupol-Massenspektrometers

Abbildung 6.6: Schnitt durch eine Axialionenquelle.

Bei einer Mindestenergie der Elektronen von 10 bis 30 eV („appearance potential“) setzt die Ionisierung der Neutralteilchen ein. Die Zahl der gebildeten Ionen nimmt mit wachsender Elektronenenergie (Beschleunigungsspannung) schnell zu, erreicht je nach Gasart bei 50 bis 150 eV ein Maximum und fällt mit weiter steigender Energie wieder langsam ab. Da die Ausbeute an Ionen und damit die Empfindlichkeit des Massenspektrometers möglichst groß sein soll, arbeitet man meist bei Elektronenenergien zwischen 70 und 100 eV.

Ionisierung als Funktion der Elektronenenergie

Abbildung 6.7: Ionisierung als Funktion der Elektronenenergie

Der Ionenstrom $I_{K+}$ einer Gaskomponente K lässt sich aus folgender Beziehung berechnen:

\[I_{K+}=i_{\bar{}} \cdot I_e \cdot s \cdot p_K\]

Formel 6-13: Ionenstrom

mit

$i_{\bar{}}$ Elektronenstrom (Emissionsstrom) in A
$I_e$ Mittlere Weglänge der Elektronen in cm
$s$ Differenzieller Ionisierungswirkungsquerschnitt von K in 1/(cm · hPa)
$p_K$ Partialdruck der Gaskomponente K in hPa

Bei der Ionisierung komplexer Moleküle werden sehr viele Ionenarten gebildet. Neben einfach und mehrfach geladenen Molekülionen (ABC+, ABC++) treten zusätzlich Bruchstückionen auf:

  • ABC+ 2e-
  • ABC++ + 3e-
  • AB+ + C + 2e-
  • BC+ + A + 2e-
  • A+ + BC + 2e-
  • C+ + AB + 2e-
  • B+ + A + C + 2e-

Neben diesen Arten können auch noch Rekombinations-Ionen, z. B. AC+, gebildet werden. Das Auftreten und die relative Häufigkeit der einzelnen Ionenarten sind charakteristisch für eine bestimmte Molekülart und dienen als wichtiges Hilfsmittel zur Identifikation des Moleküls und somit zur qualitativen Gasanalyse. Abbildung 6.8 zeigt die Bruchstückionenverteilung (cracking pattern oder fractal pattern) des einfachen Moleküls CO2, aufgenommen bei 70 eV Elektronenenergie.

Die Wahl der Ionenquelle und das optimale Filamentmaterial richten sich nach den Anforderungen der Messaufgabe. Die Applikationen stellen oft widersprüchliche Anforderungen an die Ionenquelle. Will man optimale Ergebnisse erzielen, so muss man die Ionenquelle der Aufgabenstellung anpassen. Dies hat zur Entwicklung verschiedenartiger Ionenquellen geführt, die fast alle mit Kathoden aus Rhenium, Wolfram oder yttriertem Iridium (Y2O3/Ir) ausgestattet werden können.

Bruchstückionenverteilung von CO<sub>2</sub>

Abbildung 6.8: Bruchstückionenverteilung von CO2

Material Temperatur Verwendbar für Gase Kommentar
Y2 O3 / Ir 1.300 °C Inerte Gase, Luft / O2, NOx, SOx Kurze Standzeit bei Halogenen, unempfindlich gegen hohe O2 -Konzentrationen, erzeugt etwas CO / CO2, bei O2- oder H2O-Untergrund
W 1.800 °C Inerte Gase, H2, Halogene, Freone Kurze Standzeit bei O2 -Anwendungen, erzeugt etwas CO / CO2, aus O2 - oder H2O-Untergrund, Versprödung durch C
Re 1.800 °C Inerte Gase, Kohlenwasserstoffe, H2, Halogene, Freone Ca. drei Monate Standzeit durch Verdampfung des Materials, wird bei Kohlenwasserstoffen eingesetzt

Tabelle 6.1: Filamentmaterialien und deren Anwendungen

Die W-Kathoden werden bevorzugt im UHV-Bereich eingesetzt, bzw. dort, wo der Dampfdruck von Re schon störend wirken kann. Zu beachten ist jedoch die Versprödung von Wolfram-Kathoden durch den Wolfram-Kohlenstoff-Sauerstoff-Zyklus, das heißt durch die Bildung von W2C. Zunehmend wird anstelle der früheren Reinmetallkathoden yttriertes Iridium eingesetzt. Die Vorteile dieser Kathoden liegen in der erheblich geringeren Betriebstemperatur und der relativen Unempfindlichkeit gegenüber Lufteinbrüchen. Bevorzugte Einsatzgebiete für diese Kathoden sind daher die Analyse von temperaturempfindlichen Substanzen, z. B. metallorganische Verbindungen, oder die Analyse von Verunreinigungen in Gasgemischen mit hohem Sauerstoffanteil.

Die unterschiedlichen Ionenquellen werden im Folgenden an Hand Ihrer Eigenschaften und Anwendungsgebiete beschrieben. Allen Ionenquellen ist gemeinsam, dass sie auf ein Potential bis zu 150 V gelegt werden können. So wird ein Signaluntergrund durch EID-Ionen vermieden (EID = Electron Impact Desorption, auch: ESD = Electron Stimulated Desorption). Diese Technik wird später im Detail erläutert.

Axialionenquelle

Diese Ionenquelle zeichnet sich besonders durch einen mechanisch robusten Aufbau und eine hohe Empfindlichkeit aus. Sie findet wegen ihrer offenen Bauweise vornehmlich Anwendung bei der Restgasanalyse in Hochvakuumanlagen. Den prinzipiellen Aufbau einer Axial-Ionenquelle zeigt Abbildung 6.6. Die Kathode (1) ist innerhalb einer Bohrung der Wehneltelektrode (2) angeordnet und einseitig mit dieser verbunden. Die zur Anode (3) hin beschleunigten Elektronen ionisieren Gasmoleküle im Formationsraum (4). Die positiven Ionen gelangen durch die Extraktionsblende (5) in das Massenfilter. Durch die verhältnismäßig offene Bauweise treten nur geringe Verfälschungen durch Desorption und Oberflächenreaktionen auf.

Gitterionenquelle

Gitterionenquelle

Abbildung 6.9: Gitterionenquelle

Zur Restgasuntersuchung in UHV- oder gar XHV-Anwendungen benutzt man die Gitterionenquelle. Die extrem offene Bauweise und die Materialwahl sorgen für eine sehr geringe Eigengasabgabe. Diese Ionenquelle ist mit zwei Wolfram-Filamenten ausgerüstet, die zur Entgasung gleichzeitig beheizt werden können. Soll bei Drücken unterhalb 10-11 hPa gearbeitet werden, so benutzt man extra für diesen Zweck hoch entgaste Stabsysteme. Messungen im Druckbereich kleiner 10-10 hPa können durch sogenannte EID-Ionen verfälscht werden [32]. Diese (H+, O+, F+, Cl+) Ionen werden durch Elektronenbeschuss von Oberflächen mit oft hoher Ausbeute direkt desorbiert. EID-Ionen stammen aus adsorbierten Schichten, deren Ursprung in der Vorgeschichte der UHV-Apparatur bzw. der Ionenquelle zu suchen ist, und haben in der Regel eine Anfangsenergie von einigen eV. Diese Eigenschaft wird durch geschickte Wahl der Feldachsenspannung zur Unterdrückung der EID-Ionen gegenüber Ionen aus der Gasphase mit einer Energie von ca.100 eV genutzt, (Abbildung 6.10).

Diskriminierung von EID-Ionen

Abbildung 6.10: Diskriminierung von EID-Ionen

Cross-Beam-Ionenquelle

Cross-Beam-Ionenquelle

Abbildung 6.11: Cross-Beam-Ionenquelle

Die Cross-Beam-Ionenquelle Abbildung 6.11 gestattet den direkten Durchtritt von Molekularstrahlen senkrecht und parallel zur Systemachse. Wahlweise werden vom linken oder rechten Filament (1) Elektronen mit einstellbarer Energie (90 – 120 eV) in den Formationsraum (3) emittiert. Der Wehneltzylinder (4) auf Filamentpotential verhindert Streuung der Elektronen in die Umgebung. Wegen der in weiten Grenzen einstellbaren Elektronenenergie kann diese Ionenquelle zur Bestimmung des Appearance-Potentials eingesetzt werden. Die Einschussbedingungen der Ionen ins Massenfilter werden bei der Cross-Beam-Ionenquelle besonders präzise eingehalten. Cross-Beam-Ionenquellen werden zur Diagnose gebündelter Molekularstrahlen eingesetzt. Hierbei schießt man den Molekularstrahl senkrecht zur Zeichenebene (Abbildung 6.11) in den Formationsraum ein. Neutrale Gasmoleküle die nicht ionisiert wurden, werden nach Durchgang durch die Ionenquelle (7) entweder in eine Pumpe oder in eine Kühlfalle zwecks Kondensation eingeleitet. Massenspektrometer mit dieser Ionenquelle werden auch als „Rate-Meter“ in der Molekularstrahlepitaxie verwendet.

Gasdichte Ionenquelle

Einige der zuvor beschriebenen Ionenquellen sind auch in gasdichten Versionen erhältlich. Gasdichte Ionenquellen werden eingesetzt, wenn nur geringe Mengen Probengas zur Verfügung stehen, oder wenn der durch Restgas erzeugte Signaluntergrund wirksam unterdrückt werden soll. Hierbei müssen Gaseinlasssystem (z. B. eine beheizte Kapillare) und Ionenquelle aufeinander abgestimmt sein. Die einströmende Gasmenge bestimmt über den Leitwert der Ionenquelle den Druck im Formationsraum, der ein Vielfaches des Druckes im umgebenden Vakuumraum betragen kann. Am Beispiel der Axialionenquelle soll die Funktionsweise dargestellt werden.

Gasdichte Axialionenquelle

Abbildung 6.12: Gasdichte Axialionenquelle

Das zu analysierende Gas wird über eine auf Erdpotential liegende Metallkapillare (6) und ein Isolierzwischenstück (5) direkt in den Formationsraum (4) der Ionenquelle eingeleitet. Die Abdichtung erfolgt durch die Scheibe (7). Der Leitwert zum Vakuumraum hin beträgt etwa 1 l/s.

Gasdichte Axialionenquelle

Abbildung 6.13: SPM-Ionenquelle

SPM-(Sputter-Process-Monitor) Ionenquelle

Bei dieser Ionenquelle ist der Formationsraum (7) direkt mit der Prozesskammer verbunden. Der Analysator ist mit einem kleinen Turbopumpstand (1) ausgerüstet, der auch den Kathodenraum (5) auf etwa 10-5 hPa evakuiert. Von der Niederdruckseite werden durch kleine Löcher Elektronen zur Ionisierung in den Formationsraum (7) eingeschossen. Die gebildeten Ionen werden ebenfalls durch eine kleine Öffnung zur Niederdruckseite in das Massenfilter extrahiert. Diese Ionenquelle hat zwei entscheidende Vorteile bei der Untersuchung der Gaszusammensetzung in Sputterprozessen. Zum einen erfolgt die Analyse bei einem bis zu drei Größenordnungen höheren Druck in der Ionenquelle. d. h. man kann einen höheren Restgasanteil im Rezipienten tolerieren, zum anderen steht das heiße Filament nicht in direktem Kontakt mit dem Sputterprozess. Dadurch wird bei empfindlichen Prozessen Kontamination durch die heiße Kathode vermieden.

Standard-Ionenquelle PrismaPlus

Das PrismaPlus Massenspektrometer von Pfeiffer Vacuum ist mit dieser robusten und hochempfindlichen Ionenquelle ausgestattet, die speziell für Restgasanalysen geeignet ist. In ihrem Aufbau ist sie vergleichbar mit einer Gitterionenquelle. Sie verfügt wie diese über zwei Kathoden und gewährleistet damit einen besonders sicheren Betrieb. Es gibt eine offene und eine gasdichte Ausführung mit Gaseinlass in Achsrichtung.

PrismaPlus-Ionenquellen

Abbildung 6.14: PrismaPlus-Ionenquellen

Alle hier beschriebenen Ionenquellen ionisieren durch Elektronenstoß, man kann sie in zwei Typen aufteilen:

  • Offene Ionenquellen werden benutzt, wenn das Prozessgas analysiert werden soll und keine weitere Druckreduktion erforderlich ist.
  • Geschlossene Ionenquellen werden angewendet, um z. B. in der Analytik mit geringen Gasmengen auszukommen oder die Empfindlichkeit gegenüber dem Untergrund des Vakuumsystems zu erhöhen.

Letztere werden zusammen mit einem differentiell gepumpten System benutzt (Abbildung 6.13), um Gase höherer Drücke zu analysieren.