1.2.6 Strömungsarten
Das Verhältnis von mittlerer freier Weglänge und dem Durchmesser des Strömungskanals kann zur Beschreibung von Strömungsarten dienen. Dieses Verhältnis wird als Knudsenzahl bezeichnet:
\[\mathit{Kn}=\frac{\bar l}d\]
Formel 1-13: Knudsenzahl
$\bar l$ | Mittlere freie Weglänge | [m] |
$d$ | Weite des Strömungskanals | [m] |
$\mathit{Kn}$ | Knudsenzahl | dimensionslos |
Der Wert der Knudsenzahl kennzeichnet die Art der Gasströmung und ordnet sie einem bestimmten Druckbereich zu. Tabelle 1.7 zeigt eine Übersicht über die unterschiedlichen Strömungsarten in der Vakuumtechnik und ihre wichtigsten Charakterisierungsparameter.
Profile der unterschiedlichen Strömungsarten sind in Abbildung 1.6 gezeigt.
Abbildung 1.6: Profile der unterschiedlichen Strömungsarten
Viskose Strömung im Grobvakuum
In einer viskosen Strömung, auch als Kontinuumströmung bekannt, kommt es zu häufigen Zusammenstößen der Gasteilchen untereinander, jedoch seltener mit den Gefäßwänden. Die mittlere freie Weglänge der Gasteilchen ist hier deutlich kleiner als die Abmessungen des Strömungskanals.
Bei der viskosen Strömung unterscheidet man zwischen laminarer und turbulenter Strömung. Bei der laminaren oder Schichtströmung bleiben die Gasteilchen immer in gleichen parallel zueinander transportierten Schichten. Steigt die Strömungsgeschwindigkeit, so lösen sich diese Schichten auf und die Fluidteilchen laufen völlig ungeordnet durcheinander. Man spricht dann von turbulenter Strömung. Die Grenze zwischen diesen beiden Teilbereichen der viskosen Strömung kann durch den Wert der Reynolds-Zahl beschrieben werden:
\[\RE = \frac{\rho\cdot\nu\cdot l}\eta\]
Formel 1-14: Reynolds-Zahl
$\RE$ | Reynoldszahl | dimensionslos |
$\rho$ | Dichte des Fluids | [kg m-3] |
$\nu$ | Strömungsgeschwindigkeit | [m s-1] |
$l$ | Charakteristische Länge | [m] |
$\eta$ | Dynamische Viskosität | [Pa s] |
Bis zu Werten von $\RE$ < 2.300 ist die Strömung laminar und für $\RE$ > 4.000 turbulent. Im Bereich zwischen 2.300 < $\RE$ < 4.000 ist die Strömung vorherrschend turbulent. Es ist aber auch laminare Strömung möglich, beide Strömungsarten sind in diesem Bereich instabil.
Turbulente Strömung kommt im Vakuum nur beim Abpumpen von Atmosphärendruck oder schnellem Belüften vor. Man dimensioniert die Leitungen von Vakuumanlagen so, dass turbulente Strömung bei relativ hohen Drücken nur kurzzeitig auftritt, da die dabei auftretenden hohen Strömungswiderstände höhere Saugvermögen der eingesetzten Pumpen verlangen.
Knudsenströmung im Feinvakuum
Liegt die Knudsenzahl zwischen 0,01 und 0,5, spricht man von Knudsenströmung. Da viele Prozessdrücke im Feinvakuumbereich liegen, ist diese Strömungsart in technischen Vakuumanwendungen entsprechend häufig vertreten.
Molekulare Strömung im Hochvakuum und im Ultrahochvakuum
Bei Knudsenzahlen größer als 0,5 findet eine Wechselwirkung der Teilchen untereinander praktisch nicht mehr statt. Es herrscht Molekularströmung. Die mittlere freie Weglänge ist deutlich größer als die Weite des Strömungskanals. In der Molekularströmung liegt das Produkt aus Druck und Bauteildurchmesser bei ≤ 1,3 · 10-2 hPa cm.
Eine grafische Zusammenfassung der Strömungsbereiche in Abhängigkeit vom Produkt aus Druck und Bauteildurchmesser ist in Abbildung 1.7 gezeigt.
Abbildung 1.7: Strömungsbereiche im Vakuum in Abhängigkeit von p · d
Aus dieser Abbildung wird klar, dass die auch in Tabelle 1.7 wiedergegebenen Einteilungen der Vakuumbereiche rein nach dem Druck eine unzulässige Vereinfachung darstellen. Nachdem diese Einteilung im Sprachgebrauch aber noch weit verbreitet ist, wird sie an dieser Stelle zitiert.
Viskose Strömung | Knudsen-Strömung | Molekular-Strömung | |
---|---|---|---|
Grobvakuum | Feinvakuum | Hoch-/Ultrahochvakuum | |
Druckbereich [hPa] | 103…1 | 1…10-3 | < 10-3 bzw. < 10-7 |
Druckbereich [Pa] | 105…10 2 | 102…10 -1 | < 10-1 bzw. < 10-5 |
Knudsenzahl | Kn < 0,01 | 0,01 < Kn < 0,5 | Kn > 0,5 |
Reynoldszahl | Re < 2.300: laminar Re > 4.000: turbulent |
||
p · d [hPa cm] | p · d > 0,6 | 0,6 > p · d > 0,01 | p · d < 0,01 |
Tabelle 1.7: Übersicht Strömungsarten